Liebe Freundinnen und Freunde des Waldparks,
die Kosten dürfen bei der Rheindammsanierung nicht das ausschlaggebende Argument sein. Denn bei diesem Jahrhundertprojekt geht es um nicht weniger als unsere Sicherheit, Gesundheit und Lebensqualität sowie das Klima in unserer schon heute viel zu heißen Stadt. Dies macht Reinhard Vorderwülbecke in einem lesenswerten Leserbrief deutlich (den der Mannheimer Morgen am 21.09.2022 nur gekürzt veröffentlicht hat).
Heiße, trockene Sommer schwächen übrigens die weniger gute Schutzfunktion eines baumlosen Erddeichs zusätzlich. Ein weiteres Argument für die sicherere, baumerhaltende Spundwand-Lösung. Welche kostbaren Auwaldbäume von der geplanten Rodung betroffen sind, erläuterte gestern der Forstwissenschaftler Volker Ziesling. Apropos Auen: Dazu haben wir am Ende dieses Newsletters ein wunderbares Zitat des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz – von einer Infotafel der Stadt Mannheim im Waldpark.
Unrealistische Angaben des Regierungspräsidiums
Wie im Februar-Newsletter berichtet, ist die naturbewahrende Sanierungsvariante höchstwahrscheinlich schon allein aufgrund der viel kürzeren Bauzeit von rund einem Jahr kostengünstiger. Für den Bau eines neuen „gehölzfreien“ Erdbaudamms veranschlagt das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe dagegen eine Bauzeit von drei bis fünf Jahren. Ein unrealistischer Zeitplan, erklärt der Verfasser des Leserbriefs (unser Vorstandskollege). Schließlich will die Behörde Tausende Bäume abholzen, den Damm von Neckarau bis zum Lindenhof vollständig abtragen, einen neuen Erdwall errichten, auf einem Großteil der Strecke einzelne Spundwände einbringen, einen Deichverteidigungsweg anlegen und zusätzliche Zufahrtsstraßen schaffen.
Ebenfalls unrealistisch sei, dass all diese Maßnahmen dem RP zufolge per saldo nur 19,5 Millionen Euro kosten. Wie sich diese Kosten zusammensetzen, hat die Behörde bis heute nicht offengelegt.
Viel höhere Gesamtkosten des Erdbaudeichs
Nur die Baukosten zu betrachten, greift ohnehin zu kurz, so Reinhard Vorderwülbecke. Zudem bezweifelt er, dass die Karlsruher Behörde zum Beispiel die Kosten einbezogen hat für
Lebenswichtige Leistungen der Bäume
Fazit des Leserbriefs: Selbst angenommen, die Hochwasserschutzwand sei alles in allem tatsächlich teurer. Die Kosten dürfen bei diesem Projekt nicht der maßgebende Faktor sein. Wir brauchen die sicherste Lösung, zumal diese natur-, umwelt- und klimaschonender ist. Große, alte Bäume wie bei uns auf dem Rheindamm speichern hohe Mengen CO2, filtern hohe Mengen Feinstaub, spenden uns hohe Mengen an Sauerstoff und Schatten, kühlen die Luft. So sind in der Gesamtbilanz unbedingt auch diese und weitere Leistungen der Bäume zu bewerten und zu berücksichtigen. Erst recht mit Blick darauf, dass es in den kommenden Jahrzehnten in Mannheim noch viel heißer werden soll.
Eine große Gefahr für Erdwälle: Lücken in der Grasnarbe
Lange und große Hitze ist ein Risiko für Menschen, Tiere und Pflanzen. Andauernde glühende Sonne gefährdet auch die Standsicherheit eines Erddamms. Damit der Deichkörper bei Hochwasser nicht erodiert, ist eine fest verwurzelte, geschlossene und dichte Grasnarbe wesentlich. Langanhaltende Trockenheit schädigt diese erheblich. Das war im letzten Sommer unter anderem ein Problem beim Rheindeich in Orsoy. (Wo der – als Gutachter der Stadt Mannheim inzwischen nicht mehr verfügbare – Deichexperte Ronald Haselsteiner den Einbau einer baumerhaltenden Spundwand vorsieht, siehe Praxisbeispiel.)
Trotz strömendem Regen: Diplom-Forstwirt Volker Ziesling mit aufmerksamen Zuhörern bei der Dammbegehung der BIG Lindenhof am 02.10.2022
Kostbarer Hartholzauenwald am Damm
Als Auwald ist unser Waldpark immens wichtig für den Schutz vor Bodenerosion, vor Hochwasser, von Arten und Ökosystemen, für unsere Erholung, gegen Schadstoffbelastung. Das führte gestern bei einer Dammbegehung Volker Ziesling eindrucksvoll vor Augen. „Der Waldpark ist außerdem die wertvollste Klimaanlage, die wir in Mannheim haben“, erklärte der Diplom-Forstwirt bei der von der BIG Lindenhof initiierten Veranstaltung. Der bei uns am Rheindamm existierende Hartholzauenwald sei extrem selten.
„Wissen wir überhaupt, was wir im Begriff sind zu verlieren?“
Hartholzaue, Weichholzaue, gehölzfreie Aue – wie ein typischer Auwald aufgebaut ist, veranschaulicht eine Infotafel im Naturschutzgebiet „Bei der Silberpappel“ unseres Waldparks. Sehr bemerkenswert ist, was die Stadt Mannheim am Ende dieser Schautafel ergänzt hat: „Was Konrad Lorenz (Zoologe, Verhaltensforscher und Nobelpreisträger) einst über die letzten ursprünglichen Donauauen sagte, trifft auch auf dieses Naturschutzgebiet zu: ‚Es ist eine Landschaft voller Wunder, vergleichbar nur den tropischen Urwäldern, ein Dschungel in unseren gemäßigten Breiten – wissen wir überhaupt, was wir im Begriff sind zu verlieren?‘“
Wir hoffen, die Stadt Mannheim weiß, was wir mit dem Auwald auf unserem Damm im Begriff sind zu verlieren.
Wesentliche Abschnitte des Mannheimer Rheindamms sind laut dem Umweltministerium in Stuttgart ebenfalls besonders geschützt: Sie sind Teil des EU-weiten Netzes von ökologisch wertvollen Schutzgebieten „Natura 2000“ und liegen an einem europarechtlich geschützten Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiet. Doch das Umweltministerium missachtet die Belange des Naturschutzes: Für die Rheindammsanierung hat die Behörde die – im Falle der Störung, Verletzung oder Tötung geschützter Arten erforderlichen – artenschutzrechtlichen Ausnahmeanträge nach eigenen Angaben bereits gestellt.
Herzliche Grüße
Sabine Jinschek Michael Detmer
Initiative Waldpark Mannheim e.V.