Das Hauptargument des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe für den geplanten Kahlschlag lautet, dass die Bäume auf den Deichverteidigungsweg (DVW) stürzen und Rettungskräfte gefährden könnten. Doch die Argumentation hinkt gewaltig: Erstens wäre nach dem Einbau einer Hochwasserschutzwand in den Damm aus Sicht erfahrener Deichexperten kein DVW notwendig. Zweitens reduziert eine regelmäßige Baumpflege und -kontrolle das Risiko umstürzender Bäume auf ein Minimum.
Vor allem aber bleibt die Frage: Warum pocht das Land beziehungsweise das RP, das immer wieder die Sicherheit der Bevölkerung betont, auf einen Erdbaudamm, obwohl dieser weniger sicher ist und deshalb überwacht und verteidigt werden muss?
Hochwasserschutz ist in betroffenen Regionen (Meer-, Flussnähe) eine uralte Herausforderung und hat schon früh zu erfolgreichen Lösungen geführt. Bewährt hat sich dabei der Damm in Erdbauweise: Er bietet in der Regel einen ordentlichen Schutz, ist unkompliziert, mit einfachem Gerät herstellbar und preisgünstig.
Nachteilig ist, dass er ständig kontrolliert, gepflegt, instand gehalten und im Gefahrenfall, wie (drohendem) Dammbruch schnell reparierbar sein muss. Dies erfordert eine gute Zugänglichkeit, auch für Fahrzeuge.
Deshalb sind Erddämme befahrbar zu gestalten. Dies fordert so auch die DIN 19712 „Hochwasserschutzanlagen an Fließgewässern“, die das RP bei seinen Planungen zugrunde legt. Die Befahrbarkeit wird meist schon durch eine leicht verdichtete Dammkrone und die Anbindung an nahe Straßen erreicht. Man spricht dann von einem „Deichverteidigungsweg“ oder „Dammverteidigungsweg".
Wird der Rheindamm jedoch mit einer Hochwasserschutzwand (einer durchgängigen, in den Damm eingelassenen Spundwand) ertüchtigt, sind zwar auch Kontrolle, Pflege und Instandhaltung erforderlich – allerdings in weitaus geringerem Maße. Ein Gefahrenfall wie zum Beispiel ein Dammbruch ist aber technisch ausgeschlossen, wie Wasserbau-Ingenieur Christian Schmidt in einer Machbarkeitsstudie belegt. Denn der eigentliche Hochwasserschutz ist durch die Spundwand gewährleistet. „Durch die wesentlich sicherere Sanierungsmaßnahme besteht somit aus unserer Sicht keine Notwendigkeit für einen Dammverteidigungsweg", so Schmidt in seiner Studie, Seite 15. (Mehr dazu unter Lösungen mit Baumerhalt).
Nach dem Einsatz einer durchgängigen statisch selbsttragenden Spundwand bestünde daher selbst dann keine Gefahr, wenn - im theoretischen Fall - der Damm auf der Wasserseite weitgehend abgetragen werden würde. Dass der Rheindamm im Waldpark weggespült werden würde, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Zwischen Damm und Rhein befindet sich ein bis zu 1,5 Kilometer breiter Auwald, der Wassermassen aufsaugt und auffängt.
Bei Austritt des Rheins aus seinem Flussbett in den Waldpark vergrößert sich zudem der Strömungsquerschnitt enorm (also der Raum, in dem das Wasser fließen kann). Dadurch verlangsamt sich hier die Strömungsgeschwindigkeit erheblich. Sprich: durch Ausspülungen oder Erosionen entstehen kaum Schäden am Damm (was die Vergangenheit bislang bewiesen hat).
Die Anforderungen an einen DVW sind dadurch wesentlich geringer, insbesondere wird auch der Einsatz schwereren Geräts nicht erforderlich. Ein herkömmlicher Betriebs- und Verkehrsweg reicht aus – und der ist am Mannheimer Rheindamm bereits vorhanden.
Das RP Karlsruhe lehnt eine Spundwandlösung, wie sie in der Machbarkeitsstudie von Christian Schmidt vorgeschlagen wird, wegen des fehlenden DVW ab: „Einer Überströmung kann nicht entgegengewirkt werden, da ohne ein DVW eine Erhöhung des Dammes beispielsweise mit Sandsäcken nicht möglich ist." (siehe Antragsunterlagen, „Variantenstudie", Seite 31).
Der Damm hat jedoch bereits eine ausreichende Höhe. Deshalb ist eine Dammerhöhung in den Planungen des RP auch nicht vorgesehen. Nur an einzelnen Stellen sollen sogenannte Fehlhöhen, ausgeglichen werden, die im Mittel 10 cm betragen. .
Eine Überströmung ist mehr als unwahrscheinlich. Einen Damm, in den eine statisch selbsttragende Spundwand eingelassen ist, mit Sandsäcken aufzustocken, ist laut Christian Schmidt daher überhaupt nicht erforderlich.
Auf der gesamten Länge des Mannheimer Rheindamms von rund vier Kilometern wäre die - vom RP Karlsruhe vorgesehene - herkömmliche Methode der Deichverteidigung logistisch auch nicht möglich. Denn dafür wären mehr als 100.000 Sandsäcke und gleichzeitig Hunderte von Helferinnen und Helfern erforderlich. Zum Beispiel wären bei einer Aufstockung des 3.9000 Meter langen Damms um 0,5 Meter rund 140.000 ( 0,40 x 0,70 Meter große, zu zwei Dritteln gefüllte) Sandsäcke notwendig. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk mit ihren üblichen Transportfahrzeugen könnten dies nicht leisten. Stattdessen müsste die Bundeswehr mit Hubschraubern zum Einsatz kommen. Die Bevölkerung müsste evakuiert werden.
Das RP will im Zuge der Sanierung außerdem den Zugang zum Rheindamm in Mannheim verbessern. Hier sind jedoch genügend Straßen und Wegeanbindungen vorhanden: Speyererstraße, Schwarzwaldstraße Höhe Parkau, Promenadenweg, Saupferchweg, Rheingoldstraße, Kiesteichweg, Schindkautweg usw.
Die DIN 19712, auf die sich das RP beruft, sieht gehölzfreie Dämme vor allem deshalb vor, weil sie keine Erkenntnisse der Baumstatik, besonders zur Verkehrssicherheit von Bäumen, berücksichtigt. Es heißt, Bäume würden den Deich destabilisieren. Als generelle Aussage trifft dies so nicht zu.
Der Baumbestand auf ist je nach Standort unterschiedlich zu betrachten (hierbei gehen wir davon aus, dass der DVW – beziehungsweise der nach Expertenmeinung vorhandene, ausreichende Betriebs- und Verkehrsweg – sinnvollerweise durchgängig auf der Dammkrone verläuft):
Überdies zeigen Untersuchungen des Baumstatikers Dr. Lothar Wessolly an bestehenden baumbestandenen Dämmen: Bestimmte Bäume auf Erddämmen tragen durch die verstärkende, „armierende“ Wirkung des Wurzelgeflechts eher zu einer Stabilisierung von Dämmen bei.
Die Tatsache, dass Dammbrüche in den vergangenen Jahre an Elbe, Oder usw. ausschließlich an Abschnitten ohne Baumbestand auftraten, untermauern diese baumstatischen Untersuchungsergebnisse. Das RP argumentiert dennoch mit eben diesen Störfällen gegen Baumbewuchs, verstehe das, wer wolle!
Als Maß für die Beurteilung eines Risikos wird üblicherweise das Produkt aus zu erwartender Schadenshöhe mal Eintrittswahrscheinlichkeit verwendet. Ein Beispiel: Der Schaden, der durch einen Meteoriteneinschlag à la Saurier-Sterben eintritt, ist extrem groß. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist aber außerordentlich gering, schätzungsweise 1 Mal in 50.000.000 Jahren. Dieses Risiko ist deshalb als äußerst klein einzuschätzen.
Damit ein Rettungskraft beim „Verteidigungs“einsatz durch Bäume auf dem Mannheimer Rheindamm zu Schaden kommen könnte, müssten folgende Fakten zeitgleich zusammen kommen:
Die Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Zusammentreffens all dieser per se schon seltenen Ereignisse ist sehr gering, sicherlich um ein Vielfaches kleiner als die Wahrscheinlichkeit eines „normalen“ Straßenverkehrsunfalles während der Anfahrt zum Einsatz.
Die Argumente des RP – die Gefährdung von Instandsetzungskräften und die Behinderung der Zufahrt bei einem Dammschaden – sind nicht stichhaltig. Sie sind insbesondere auch deshalb nicht schlagkräftig, weil bei einer Hochwasserschutzwand mit einem ernsthaften Schaden realistischerweise nicht zu rechnen ist.
Die Bäume an und auf dem Damm – vielleicht mit Ausnahme auf einem schmalen wasserseitigen Teil der Dammkrone – können also selbst aus Sicht der Deichverteidigung stehen bleiben.
Dass Baumerhalt selbst im Falle eines Deichverteidigungswegs möglich ist, zeigen auch etliche Praxisbeispiele, zum Beispiel die Spundwandlösung in Trier.
(Würde man vergleichbare Risikominderungsanforderungen im Straßenverkehr stellen, dürfte wahrscheinlich kein einziger Baum an Verkehrsstraßen, Eisenbahnlinien usw. stehen. Das wäre auch total unverhältnismäßig.)