Rollen der Stadt Mannheim

Rollen der Stadt Mannheim

So viel steht in Sachen Rheindammsanierung fest: An den Plänen des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe hat sich in puncto Baumfällungen bis heute nichts geändert. Mehrere Hektar Wald sollen am Damm gerodet werden. 


Die Kernfrage lautet: Wird sich die Stadt Mannheim - und damit der Oberbürgermeister gegen das Vorhaben des Landes stellen?

Drei Rollen der Stadt Mannheim im Verfahren

Im laufenden Planfeststellungsverfahren hat die Stadt Mannheim drei Rollen:


  • Sie ist Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde.
  • Sie ist als betroffene Gemeinde auch Trägerin öffentlicher Belange (TöB).
  • Sie ist – für einen Dammabschnitt (Abschnitt 6 zwischen Weinbietstraße und Speyerer Straße) – Eigentümerin und damit selbst Auftraggeberin und Bauherrin im Projekt.


Als Planfeststellungsbehörde muss die Stadt Mannheim neutral und ergebnisoffen sein

 Im Verfahren zur Rheindammsanierung ist die Untere Wasserbehörde der Stadt Mannheim Anhörungsbehörde und Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsbehörde.


Als Anhörungsbehörde forderte die Stadt alle Träger öffentlicher Belange, Verbände und Vereinigungen sowie sonstige relevante Stellen zur Abgabe einer Stellungnahme auf.  Außerdem konnten wir Bürgerinnen und Bürger Einwendungen erheben. Die Einwendungsfrist endete am 19.01.2023.


Bei der Erörterung der Stellungnahmen und Einwendungen mit dem Vorhabenträger - die voraussichtlich erst 2024 stattfinden wird - hat die Untere Wasserbehörde als Planfeststellungsbehörde die Aufgabe, diese Verhandlung neutral und ergebnisoffen zu leiten und zu einem Interessenausgleich zu führen.


Im Anschluss an den Erörterungstermin muss sie alle Sachverhalte prüfen, alle Belange abwägen und dabei mögliche Alternativen berücksichtigen. Am Ende hat sie folgende Optionen: Sie kann den Planfeststellungsbeschluss erlassen (sprich, die Baugenehmigung für den vom Regierungspräsidium Karlsruhe geplanten neuen Erddamm erteilen), den Plan unter Auflagen genehmigen oder den Antrag ablehnen.


Um sich nicht angreifbar zu machen,  muss sie während des gesamten Planfeststellungsverfahrens eine neutrale und ergebnisoffene Position einnehmen.


Der frühere OB Kurz versteckte sich hinter der Funktion der Stadt als Planfeststellungsbehörde

In seinen beiden offenen Briefen zur Rheindammsanierung an die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadteile am Waldpark  (vom 31.01.2020 und vom 03.03.2021), nannte der zu dieser Zeit amtierende Oberbürgermeister (OB) Dr. Peter Kurz nur diese — eine — Rolle der Stadt: Die Stadt sei Genehmigungs- beziehungsweise Planfeststellungsbehörde. Als solche sei sie an die rechtlichen Vorgaben gebunden und könne daher keine politische Entscheidung treffen.


Wie Kurz in seinen beiden offenen Briefen ebenfalls betonte, treffe auch der Gemeinderat keine Entscheidung in dem Verfahren. Das hat auch niemand bestritten. Nur: Als Trägerin öffentlicher Belange – und damit als Vertreterin der Interessen der Bürger – muss die Stadt in diesem Verfahren aber die Position des Gemeinderats mit einbeziehen. Was sie auch getan hat: Am 17.01.2023 hatten die Mitglieder des gemeinderätlichen Ausschusses für Umwelt und Technik über die Einwendung der Stadt Mannheim abzustimmen. Sie beschlossen diese einstimmig.


Als Trägerin öffentlicher Belange muss die Stadt die Bürgerinteressen vertreten

Was der frühere OB in seinen Briefen an die Bürgerinnen und Bürger verschwiegen hatte, war immerhin auf der Internetseite der Stadt zum Thema Rheinhochwasserdamm zu lesen: „Die Stadt Mannheim ist aber auch selbst ‚TÖB‘ in diesem Verfahren und wird zu den Punkten Stellung nehmen, in denen sie in ihren Belangen berührt ist. Durch diese Doppelfunktion wird gewährleistet, dass im Genehmigungsverfahren alle Einwendungen, die gegen das Vorhaben vorgebracht worden sind, Berücksichtigung finden und sachgemäß abgewogen werden.“


Erst 2021 beauftragte die Stadt das seit 2018 geforderte Gutachten zur Spundwandlösung

In ihrer Presseinformation  zum Beginn des Planfeststellungsverfahrens vom 26.02.2021 teilte die Stadt mit, dass sie ein Gutachten beauftragen werde: „Da die Stadt Mannheim in einer zweiten Rolle aber auch sogenannter Träger öffentlicher Belange ist, wird sie in dieser Rolle ein Gutachten hinsichtlich Baumerhalt und Hochwasserschutz beauftragen.“ Im Frühsommer 2021 gab sie dann das Gutachten zur Prüfung einer baumerhaltenden Spundwandlösung endlich in Auftrag: bei Dr. Ronald Haselsteiner.


Seine Arbeit sollte der renommierten und erfahrenen Deichbauexperte aber erst mit der Offenlage der Antragsunterlagen aufnehmen, betonte die Stadt wiederholt. (Uns erschließt sich bis heute nicht, warum dies nicht früher möglich gewesen wäre.) Am 08.11.2022 stellte Haselsteiner seine Ergebnisse vor und untermauerte, dass eine baumerhaltende Spundwandlösung auch bei uns am Rheindamm in Mannheim möglich ist.


Auf Basis des Gutachtens von Haselsteiner erhob die Stadt Mannheim als Trägerin öffentlicher Belange eine Einwendung, in der sie sich unerwartet deutlich gegen den Plan des RP Karlsruhe stellt.


Im Januar 2024 fordert die Stadt vom RP die Prüfung der Spundwandvariante

Nachdem bis zum 19.01.2023 insgesamt rund 5.500 Einwendungen bei der Stadt Mannheim eingegangen waren, wurden diese im Lauf des Jahres 2023 gesichtet, erfasst und kategorisiert.


Im Januar 2024 forderte die Untere Wasserbehörde Mannheim als Planfeststellungbehörde nun das RP Karlsruhe auf, eine statisch selbsttragende Spundwand als Sanierungsalternative eingehend zu prüfen. „Zuvor hatten Oberbürgermeister Christian Specht, Erste Bürgermeisterin und Umweltdezernentin Prof. Dr. Diana Pretzell sowie der für den Katastrophenschutz zuständige Dezernent Dr. Volker Proffen der Planfeststellungsbehörde in einem gemeinsamen Schreiben erläutert, warum aus Sicht der Stadt Mannheim als 'Trägerin Öffentlicher Belange' eine selbsttragende Spundwand eingehend geprüft werden sollte“, gab die Stadt am 10.01.2024 in einer Pressemitteilung bekannt.


Die Reaktion des RP wurde rund zwei Wochen später veröffentlicht: Angesichts des „weltweiten Klimawandels“ will das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe das „Einbringen einer statisch selbsttragenden Spundwand in Verbindung mit einem Dammverteidigungsweg“ prüfen. Dies teilte die Behörde in einer Pressemitteilung am 23.01.2024 mit.


Dammverteidigung trotz statisch selbsttragender Spundwand - kein gutes Zeichen

Dass das RP an der Dammverteidigung festhält, ist kein gutes Zeichen.  Denn das könnte weiterhin einen kompletten Kahlschlag auf und am Damm bedeuten. So argumentiert die Behörde seit Jahren fälschlicherweise, die Bäume müssten vorsorglich entfernt werden, um die Dammverteidigung sicherzustellen. Und so teilt sie entsprechend auf Anfrage des Mannheimer Morgen (MM) auch im Januar 2024 mit: „Um den Damm im Hochwasserfall verteidigen zu können, ist die baumfreie Zone dennoch erforderlich“ (siehe MM-Beitrag vom 24.01.2024).


Auch kein gutes Zeichen ist, dass OB Specht laut MM vom 24.02.2024 einen Dammverteidigungsweg ebenfalls für notwendig hält, obwohl dies bei einer statisch selbsttragenden Spundwand weder nach den geltenden Regeln noch laut Gutachtern erforderlich ist: „Ich begrüße sehr, dass das RP Karlsruhe unseren Hinweis der Unteren Wasserbehörde Mannheim aufgreift und nun prüft, ob die gesamte Dammsanierung zwischen Neckarau und Lindenhof mit einer selbsttragenden Spundwand und einem Dammverteidigungsweg umgesetzt werden kann“, wird der OB zitiert.


Als Bauherrin hat die Stadt den geplanten Kahlschlag von Anfang an mitgetragen

Ist alles längst eine abgekartete Sache? Wie oben erwähnt, hat die Stadt Mannheim eine dritte Rolle in dem Verfahren: Sie ist Eigentümerin des Dammabschnitts 6. Für diesen Abschnitt ist sie selbst Bauherrin und Auftraggeberin in dem Projekt. Auch wenn es hier nur um eine Strecke von rund 300 Metern geht, ist dies von großer Bedeutung. 


Denn dies zeigt, wie wenig verantwortungsvoll die Stadt ihre Rolle als Eigentümerin wahrgenommen hat: Obwohl die Verantwortlichen in Mannheim schon seit 2015 wussten, dass die Planungen des RP einen Kahlschlag bedeuten, hat die Stadt das RP mit der Planung für ihren eigenen Abschnitt beauftragt.


Lange Zeit hatten Kurz und die frühere Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala die naturschädigende Sanierungsmethode als „alternativlos“ bezeichnet. Dass die Stadt in ihrer Einwendung als TöB eine Anpassung des Plans für unerlässlich ansehen würde, war undenkbar. Doch die Bäume am Rheindamm sind damit noch längst nicht gerettet. Hierfür muss sich die Stadt als Planfeststellungsbehörde gegen das Land wehren.


Was wir von unserem Stadtoberhaupt erwarten:

Der Oberbürgermeister - seit 4. August 2023 im Amt: Christian Specht - ist von den Mannheimer Bürgerinnen und Bürgern gewählt (und nicht von der Landesregierung eingesetzt). Deshalb sollte er sich nicht nur als obersten Verwaltungsbeamten sehen (der die Anweisungen der übergeordneten Stellen zu befolgen und auszuführen hat). Als erster Bürger unserer Stadt sollte er – mindestens in gleichem Maße und als Herzensangelegenheit – die Interessen und Wünsche von uns Bürgerinnen und Bürgern vertreten.  Und damit den Waldpark, das wichtigste Naherholungsgebiet Mannheims, weitestgehend so bewahren, wie es heute ist.


So setzen wir darauf, dass sich der OB für den weitestgehenden Erhalt der Bäume auf und am Damm  stark macht. Laut dem von der Stadt beauftragten Haselsteiner-Fachgutachten könnten rund 90 Prozent der Bäume gerettet werden.


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