Hochwasserschutz in Jasebeck

Elbdeich in Jasebeck: Eine Spundwand für den Naturschutz

Zwei uralte Eichen stehen am Elbdeich in Jasebeck. Als Lebensraum für zwei stark gefährdete Käferarten sind sie besonders schützenswert. Um die Bäume und ihre Bewohner zu retten, soll bei der Deichertüchtigung eine Spundwand eingebracht werden. Die Maßnahme ist für uns hochinteressant: Denn dieselben Käferarten kommen in alten Eichen am Rheindamm in Mannheim vor.

Der Eremit (oder Juchtenkäfer) gehört zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Nicht weniger selten ist der Heldbock. Beide Käferarten lieben einzeln stehende alte Bäume mit bereits abgestorbenen Bereichen. Entdeckt wurden sie in zwei mächtigen alten Eichen in Jasebeck im Landkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen. Die beiden Bäume stehen direkt vor dem Elbdeich, der nach dem Hochwasser von 2013 sanierungsbedürftig ist. Unter anderem soll dieser auf einer Länge von insgesamt 12 Kilometern um 80 Zentimeter erhöht werden. Das Planfeststellungsverfahren läuft derzeit noch.


Belange des Hochwasser-, Denkmal- und Naturschutzes optimal vereint

Die herkömmliche Sanierungsmethode – ein „grüner“ (sprich: baumfreier, grasbewachsener) Erddeich – kommt für Jasebeck nicht in Frage. Der Deich kann dort wegen nahegelegener denkmalgeschützter Gebäude nicht zurückverlegt und wegen der beiden Eichen nicht verbreitert werden. Das Problem: Die mehrere hundert Jahre alten Bäume befinden sich so nah am Deich, dass sie gefällt werden müssten, um diesen aufschütten zu können. Daher soll nun auf diesem Teilstück eine Spundwand in den Deich eingebracht werden, um den Lebensraum der Käfer zu erhalten.


Mit dem Einbau der 220 Meter langen Spundwand werden laut dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die Interessen von Hochwasser-, Denkmal- und Naturschutz optimal zusammengeführt.


Heldbock und Eremit sind europarechtlich geschützt

Sowohl der Eremit als auch der Heldbock sind durch die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie streng geschützt. Diese EU-Richtlinie hat das Ziel, wildlebende Arten und deren Lebensräume zu sichern. So stellte Dr. Franz Höchtl, stellvertretender Leiter des Naturschutzgebiets „Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue“, laut Landeszeitung.de klar: Die Länder seien verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Käfer zu treffen, die ihr gesamtes Leben in den alten Bäumen verbringen. Die uralten Eichen könnten auch nicht einfach gefällt und anderswo aufgestellt werden. Säge man die Bäume ab, gehe die Feuchtigkeit verloren und die Larven sterben ab.


Beide Käferkarten leben auch am Rheindamm in Mannheim

Wie das Elbholz bei Jasebeck zählt auch der Mannheimer Waldpark zu den letzten natürlichen Auen in Deutschland. Typisch für diese unberührten Flusslandschaften ist ihre besondere Artenvielfalt. Insbesondere die Auwälder mit ihren mächtigen alten Bäumen und unzähligen versteckten Bewohnern gehören zu den artenreichsten Ökosystemen in Mitteleuropa.


So sind der Heldbock und der Eremit auch bei uns am Rheindamm zu finden. Nachzulesen in einem Natura 2000-Managementplan der Staatlichen Naturschutzverwaltung Baden-Württemberg vom 17.04.2020, Seite 14: „Eine Besonderheit stellt das Naturschutzgebiet „Reißinsel“ mit dem östlich unmittelbar daran angrenzenden Waldpark Mannheim als Naherholungsgebiet der Stadt Mannheim mit naturschutzfachlich hochwertigen Lebensräumen und Lebensstätten von Arten dar. Das FFH-Gebiet beherbergt in diesem Gebiet die einzigen größeren Populationen des Heldbocks im Bereich der alten Rheinaue und das einzig aktuelle bekannte Vorkommen des Eremit (auch Juchtenkäfer genannt) im Bereich der Oberrheinebene überhaupt.“ Wesentliche Abschnitte des Rheindamms liegen laut Aussage des Umweltministeriums Baden Württemberg (siehe Seite 3 unten) am und im FFH-Gebiet.


Wir sind gespannt, inwieweit das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe die beiden stark gefährdeten Käferarten in der vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung in seinen Planungen berücksichtigt hat. Denn für Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie (zu denen Heldbock und Eremit gehören) ist bei Vorhaben und Planungen eine „spezielle artenschutzrechtliche Prüfung” vorzunehmen.


Umweltministerium BW missachtet Belange des Natur- und des Hochwasserschutzes

Die dem RP übergeordnete Behörde, das Umweltministerium Baden-Württemberg (UM BW), setzt sich über die Belange des Naturschutzes hinweg. Dass mit der geplanten Rheindammsanierung einer der wenigen Lebensräume des Heldbocks und des Juchtenkäfers vernichtet wird, ist den Verantwortlichen bekannt. Dazu Staatssekretär André Baumann vom UM BW im Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung vom 21.08.2018: „Aber glauben Sie mir: Waldflächen zu erhalten, ist unser Ziel. Ich komme aus Schwetzingen und war am Rheindamm schon oft joggen. […] Ich kenne sogar die Baumbestände am Deich. Eine dicke alte Eichenart befindet sich dort, mit dem europäischen Heldbock auch eine vom Aussterben bedrohte Käferart.“


Aber es gehe „gerade in Mannheim letztendlich um Menschenleben“, betont er. „Wenn in Mannheim der Deich bricht, sind Tausende Menschen und die gesamte Industrie entlang des Rheins in Gefahr“, so Baumann. Doch weiterhin sieht das UM BW im ganzen Land baumfreie Erdbaudämme vor, obwohl gerade diese brechen können – eine baum- und damit auch käfererhaltende Spundwand aus Stahl hingegen nicht. Damit missachtet die Behörde nicht nur die Belange des Naturschutzes, sondern auch das Bedürfnis der Menschen nach Schutz vor Hochwasser.


Übrigens beantragte das UM BW bereits artenschutzrechtliche Ausnahmen, teilte Baumann in Vertretung der baden-württembergischen Umweltministerin Thekla Walker im August 2021 auf eine Kleine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Klaus Hoher (siehe Seite 3 unten) mit. 

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